Sachbezugskarten – Was Geht?
„Was Geht? Was Geht? Ich sag's euch ganz konkret“
rappten einst Die Fantastischen Vier in Ihrem Song „Was geht“ im Jahr 1995. Die Frage „Was geht in Form von Sachbezugskarten im Rahmen der 50 Euro pro Monat Regelung für steuerfreie Sachbezüge“ lässt sich leider nicht ganz konkret beantworten.
Bisher gab es zwei Kartenvarianten, die von der Finanzverwaltung als Sachbezüge im Rahmen des § 8 Abs. 2 EStG anerkannt wurden. Hierbei handelte es sich um sog. Open-Loop-Karten und Closed-Loop-Karten.
Open-Loop-Karten können dabei überall dort eingesetzt werden, wo üblicherweise die Prepaid Kreditkarten des entsprechenden Zahlungsdienstleisters, in der Regel MasterCard, akzeptiert werden. Closed-Loop-Karten hingegen können nur bei sog. Akzeptanzstellen eingelöst werden. Das sind Anbieter von Waren und Dienstleistungen, die eine entsprechende gewerbliche Vereinbarung mit dem Emittenten der Prepaid Kreditkarte geschlossen haben.
Durch die Neufassung des § 8 Abs. 1 EStG ist es höchst fraglich, ob diese beiden Varianten von Prepaid Kreditkarten langfristig weiterhin die Kriterien für steuerfreie Sachbezüge erfüllen werden und können. So wagt die Neufassung eine Bezugnahme auf § 2 Abs.1 Nr. 10 ZAG 1 von dessen drei Kriterien, a), b) oder c), nunmehr eines immer erfüllt sein muss. Interessanterweise stützen sich sowohl die Anbieter von Open- als auch Closed-Loop-Karten in ihrer Argumentation ausschließlich auf den Buchstaben c) in § 2 Abs. 1 Nr. 10 ZAG und argumentieren, ihre Prepaid Kreditkarten erfüllen die dort genannten Anforderungen.
Diese sollen nun folgend kurz dargestellt und erläutert werden. Aus § 2 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. c) ZAG lassen sich folgende Kriterien ableiten:
1. Beschränkung auf den Einsatz im Inland,
2. auf Ersuchen eines Unternehmens oder einer öffentlichen Stelle,
3. für bestimmte soziale oder steuerliche Zwecke nach Maßgabe öffentlich-rechtlicher Bestimmungen für den Erwerb der darin bestimmten Waren oder Dienstleistungen
4. von Anbietern, die eine gewerbliche Vereinbarung mit dem Emittenten geschlossen haben.
Zu Kriterium 1: Beschränkung auf den Einsatz im Inland
Die Beschränkung auf den Einsatz im Inland war bisher keine explizite Anforderung an Sachbezugskarten. Da sich dies aber technisch leicht umsetzen lassen sollte, ist davon auszugehen, dass alle Anbieter dieses Kriterium erfüllen können. Den „Einsatz im Inland“ interpretieren die Anbieter der Prepaid Kreditkarten dabei so, dass zukünftig nur noch Waren und Dienstleistungen von in Deutschland ansässigen Unternehmen zulässig sind. Steuerfreie Sachbezüge von Unternehmen wie Amazon, Netflix oder Spotify sind dementsprechend zukünftig nicht mehr erlaubt.
Zu Kriterium 2: Auf Ersuchen eines Unternehmens oder einer öffentlichen Stelle
Das hier geforderte Ersuchen eines Unternehmens ist wohl ebenfalls bereits aktuell bei allen Sachbezugskarten gegeben, da in der Regel das Unternehmen den Anbieter der Prepaid Kreditkarten beauftragt.
Zu Kriterium 3: Für bestimmte soziale oder steuerliche Zwecke nach Maßgabe öffentlich-rechtlicher Bestimmungen für den Erwerb der darin bestimmten Waren oder Dienstleistungen
Komplizierter wird es nun bei dem in § 2 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. c) ZAG geforderten 3. Kriterium. Denn hier besagt das Gesetz, dass es sich um bestimmte „(...) soziale oder steuerliche Zwecke“ handeln muss und gleichzeitig der in Frage stehende Waren- oder Dienstleistungsbezug innerhalb des sozialen oder steuerlichen Zwecks konkret kodifiziert sein muss („der darin bestimmen Waren oder Dienstleistungen“).
Was nach Ansicht der BaFin hierzu gehört und was nicht hat diese im „Merkblatt - Hinweise zum Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG)“2 aufgeführt. Dort genannte Positivbeispiele für den bestimmten Waren- oder Dienstleistungsbezug sind u.a. „betriebliche Gesundheitsmaßnahmen (§ 3 Nr. 34 EStG), Essensgutscheine und Erholungsbeihilfen (§ 40 Abs. 2 Nr. 1, 1a, 3 EStG), Fahrtkostenzuschüsse (§ 40 Abs. 2 EStG), persönliche Aufmerksamkeiten (Sachzuwendungen des Arbeitgebers wie z.B. Blumen, Genussmittel, ein Buch oder ein Tonträger, die dem Arbeitnehmer oder seinen Angehörigen aus Anlass eines besonderen persönlichen Ereignisses zugewendet werden, R. 19.6, Abs. 1 Lohnsteuer-Richtlinien - LStR)“.
Explizit nicht unter § 2 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. c) ZAG fallen gemäß der BaFin Prepaid Kreditkarten für „allgemeine Sachleistungen nach § 8 Abs. 2 Satz 11 EStG und nach § 37b EStG“. Die BaFin begründet dies unter anderem damit, dass bei solchen Sachbezugskarten das „öffentlich-rechtliche Regelwerk den Einsatzbereich der Karte für sich genommen nicht mehr hinreichend bestimmt eingrenzt“. 3
Diese Argumentation scheint nachvollziehbar, denn bei „§ 8 Abs. 2 Satz 11 EStG“ handelt es sich um eine Auffangvorschrift für eine Vielzahl von steuerfreien Sachbezügen. Ein konkreter sozialer oder steuerlicher Zweck, der darüber hinausgeht, war vom Gesetzgeber bisher nicht angedacht.
Steuerrechtlich soll jedoch nicht auf die aufsichtsrechtliche Bewertung als Zahlungsdienst durch die BaFin abgestellt werden, denn darauf kommt es gemäß den Ausführungen des Finanzausschusses nicht an4. Dennoch entbindet dieser Hinweis nicht von der Überprüfung und Anwendung dieses im ZAG kodifizierten Kriteriums.
Legt man die öffentlich-rechtlichen Bestimmungen, also § 8 Abs. 1 S. 2, 3 und Abs. 2 S. 11 EStG n.F. zu Grunde, so fehlt bei diesen möglicherweise bereits der bestimmte soziale oder steuerliche Zweck (s.o.). Noch problematischer könnte es sein, dass die in § 2 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. c) ZAG geforderten „darin bestimmten Waren oder Dienstleistungen“ in diesen Vorschriften des EStG gerade nicht bestimmt sind. Das Kriterium könnte also unabhängig von der jeweiligen Produktausgestaltung nicht erfüllbar sein. Somit wäre ein steurfreier Sachbezug von 50 Euro pro Monat, also 600 Euro pro Jahr, als Kartenlösung auf Grundlage des § 2 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. c) ZAG nicht möglich.5
Zu Kriterium 4: Von Anbietern, die eine gewerbliche Vereinbarung mit dem Emittenten geschlossen haben.
Wie dargestellt, ist es unabhängig von der produkttechnischen Umsetzung, auf Grund des 3. Kriteriums und den darin geforderten, aber in § 8 Abs. 1 S. 2, 3 und Abs. 2 S. 11 EStG n.F., nicht zu findenden, bestimmen Waren oder Dienstleistungen, höchst fragwürdig, ob überhaupt noch Sachbezugskarten, in Form von Closed-Loop- oder Open-Loop-Karten, eingesetzt werden können.
Durch das 4. Kriterium kommt eine weitere Einschränkung hinzu. Das Gesetz fordert hier eine gewerbliche Vereinbarung zwischen dem Emittenten der Sachbezugskarten und dem Anbieter der Waren und Dienstleistungen. Dies wird wohl regelmäßig bei Closed-Loop-Karten gegeben sein. Inwieweit die Anbieter der sog. Open-Loop-Karten dieses Kriterium erfüllen können bleibt abzuwarten.
Zwischenfazit zu den Kriterien 1 bis 4
Die Argumentation der Anbieter von Sachbezugskarten beider Produktvarianten stützt sich ausschließlich auf § 2 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. c) ZAG. Wie dargestellt ist die Rechtssicherheit von heutigen Open- und Closed-Loop-Karten, besonders im Hinblick auf das 3. Kriterium, somit höchst fraglich. Letztlich werden sich die Finanzverwaltung und die Finanzgerichte damit beschäftigen müssen, ob sich für die Regelung des steuerfreien Sachbezugs in Höhe von 50 Euro pro Monat, die als Bagatellgrenze und Auffangnorm eingeführt wurde, ein hinreichend bestimmter Waren- oder Dienstleistungsbezug in § 8 Abs. 1 S. 2, 3 und Abs. 2 S. 11 EStG n.F. finden lässt.
Zum oft zitierten aber wohl für die Argumentation im Rahmen des § 2 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. c) ZAG „irrelevanten“ politischen Willen
Aktuell berufen sich die Anbieter von Sachbezugskarten in ihrer Argumentation häufig auf den politischen Willen wie er sich in der Gesetzesbegründung finden lässt. So heißt es im Bericht des Finanzausschusses vom 07. November 2019 auf Seite 44, dass das Ziel der Gesetzesänderung sei, bestimmte zweckgebundene Gutscheine und Prepaid Kreditkarten, die die Kriterien des § 2 Absatz 1 Nummer 10 ZAG erfüllen und damit nicht als Zahlungsdienste gelten, als steuerfreien Sachbezug zu definieren. Deren Zweck sei es, dem Arbeitgebenden zu ermöglichen, dem Arbeitnehmenden unbürokratisch Waren oder Dienstleistungen im Rahmen der 50-Euro-Freigrenze pro Monat zuzuwenden.6
Als Beispiele für solche Prepaid Kreditkarten werden explizit „sog. Closed-Loop-Karten (z. B. aufladbare Geschenkkarten für den Einzelhandel) und sog. Controlled-Loop-Karten (z. B. Centergutschein, „City-Cards“)“ genannt. Wobei „Closed-Loop-Karten berechtigen, Waren oder Dienstleistungen vom Aussteller des Gutscheins zu beziehen. Controlled-Loop-Karten berechtigen, Waren oder Dienstleistungen nicht nur beim Aussteller, sondern bei einem begrenzten Kreis von Akzeptanzstellen zu beziehen („City-Cards“). In dieser Form sollen speziell kleine und mittelständische Unternehmen vor Ort gefördert werden.
Der Gesetzgeber führt somit eine eigene Definition für Closed-Loop-Karten ein. Diese ist in Ihrem Umfang wesentlich enger ausgelegt als die bisher im Markt übliche Definition der Sachbezugskarte.7 Darüber hinaus schafft der Finanzausschuss mit den Controlled-Loop-Karten eine neue Produktkategorie.
Die beiden vom Gesetzgeber definierten Varianten von Sachbezugskarten entsprechen am ehesten dem Buchstaben a) des § 2 Abs. 1 Nr. 10 ZAG und bringen die dort kodifizierten Kriterien und wie diese erfüllt werden sollen zum Ausdruck.
So sieht der Gesetzgeber anscheinend die erste Alternative des § 2 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. a) ZAG, „den Erwerb von Waren oder Dienstleistungen in den Geschäftsräumen des Emittenten“ mit den von ihm definierten Closed-Loop Karten („aufladbare Geschenkkarten für den Einzelhandel“) als erfüllt an. Der zweiten Variante „innerhalb eines begrenzten Netzes von Dienstleistern im Rahmen einer Geschäftsvereinbarung“ wird durch die sog. Controlled-Loop-Karten (z. B. Centergutschein, „City-Cards“) Rechnung getragen.
Die Politik will also eindeutig diese beiden Varianten der Sachbezugskarten stärken und weiterhin ermöglichen. Der von den Kartenanbietern in Ihrer Argumentation angeführte politische Wille ist somit vorhanden, jedoch bezieht er sich anscheinend nicht auf ihre Prepaid Kreditkarten, sondern auf Produkte die dem Buchstaben a) ZAG entsprechen.
Abschließend bleibt festzuhalten, dass gerade das 3. Kriterium von § 2 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. c) ZAG ein Problem für die Anbieter der bisherigen Open- und Closed-Loop-Sachbezugskarten darstellen könnte. Wohl auch deshalb kann oder will kein Anbieter derzeit die Rechtssicherheit also die Bewertung als steuerfreier Sachbezug ab dem 1. Januar 2020 für die eigenen Sachbezugskarten garantieren.8 Alle Anbieter weisen darauf hin, dass es hierzu eines klärenden BMF-Schreibens bedarf und eine lohnsteuerliche Anrufungsauskunft beim zuständigen Betriebsstättenfinanzamt des Arbeitgebenden gestellt werden sollte.
1Zu den Hintergründen warum das ZAG für steuerfreie Sachbezüge relevant ist empfehlen wir unsere Blogbeiträge:
2 https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/mb_111222_zag.html
3 So auch der Finanzausschuss in BT-Drucks. 18/12568, Beschlussempfehlung und Bericht
des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung der Zweiten Zahlungsdiensterichtlinie, S. 157 f.
4 BT-Drucksache19/14909, Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften, S. 10
5 Das gleiche sollte für Sachbezugskarten im Rahmen des§ 37b EStG gelten.
6 BT-Drucksache19/14909, Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften
7 Vgl. mit der Definition eingangs des Beitrags.
8 Ebenso kritisch ist die Einschätzung des Steuerberaterverbandes in einem aktuellen Praxishinweis, Lohnsteuerliche Sachbezüge ab 2020: Vorsicht an der Bahnsteigkante!